Bauern Wut auf Edeka oder warum sind uns Lebensmittel so wenig wert?

Heute haben ca. 200 Bauern mit Ihren Treckern das Auslieferungslager von Edeka blockiert, nachdem eine Werbung mit Otto bekannt wurden:

„Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten“ – was für ein Schwachsinn! Aber genau daran krankt unsere Landwirtschaft. Sie hat keinen Stellenwert in der Gesellschaft.

Männer sind gerne bereit 1000,- € und mehr für Auto-Aluminiumfelgen auszugeben, aber 10 Eier sollen nicht mehr als 1,- € kosten. Dabei wären mindestens 25 Cent pro Ei nötig um es tiergerecht zu produzieren.

Die Autoindustrie hat es verstanden über die Jahre hinweg den Durchschnittspreis für Autos zu erhöhen – er liegt z.Zeit bei ca. 33.000,- €.

Bei den Bauern ist es oft das Gegenteil. Schauen Sie z.B. mal die Preisentwicklung beim Spargel (Quelle: Bundesministerium für Landwirtschaft). Aufgrund der sandigen Böden können die Spargelbauern auch nicht einfach auf eine andere Frucht wechseln – sie sind auf ihre Spargelernte angewiesen.

Ausgangspunkt ist der Preis von 2010 – der wurde gleich 100% gesetzt. November 2015 betrug der Preis nur noch 60% von 2010 und daran hat sich, von kleinen Peaks abgesehen, bis heute nichts geändert.

Stellen Sie sich vor, Ihr Einkommen hätte sich um 40% vermindert. Wie würden Sie reagieren?

Die Bauern haben das Problem, dass Sie einem Oligopol von wenigen Supermarktketten gegenüber stehen. Wenn Sie Mengen produzieren, können sie die nicht mehr über einen Hofladen verkaufen, also sind sie auf die großen Ketten angewiesen. Doch die haben die Marktmacht, da es überall einen Überschuss an Waren gibt. So können Sie einen Erzeuger gegen den anderen ausspielen.

Ein typisches Vorgehen ist z.B. auch mit einem Betrieb einen Abnehmervertrag zu ordentlichen Konditionen abzuschließen. Dann wird die Bestellmenge erhöht und der Erzeuger steigert die Produktion. Aber irgendwann kommt der Preisdruck – dann wird der Produzent ausgepresst bis es nicht mehr geht. Da der seine Mengen gesteigert hat, wird er die nirgendwo anders mehr los. Also ist er den Großkunden ausgeliefert.

Ein Beispiel aus der Praxis: eine renomierte Fischräucherei für Lachs, Forellen etc. hatte sich mit den Discountern und Supermärkten eingelassen und produzierte 55.000 Packungen Räucherfisch am Tag. Dann kam die Preis-Daumenschraube und er musste zähneknirschend niedrigere Preise akzeptieren – wegen angeblicher Rationalisierungseffekte. Bis er dann 5 Cent Verlust pro Packung machte. Was folgte war der Konkurs – das war kein kleiner Betrieb – er hatte ca. 30% Marktanteil in Deutschland.

Als er Konkurs anmeldete sagte er „Ich muss anderen auch die Chance geben Verlust zu machen„. Sarkastisch, aber die Realität!

Bauern verkaufen oft an Genossenschaften, da sie alleine zu klein wären für eine Supermarktkette – doch dann wird die Genossenschaft im Preis gedrückt.

Aufgrund der Preisentwicklung sind die Bauernhöfe immer größer geworden. Langten 1970 noch ca. 50 Hektar für ein auskömmliches Leben, sind heute längst 100 Hektar nötig – bewirtschaftet von 1 Mann/Frau + Aushilfen zur Erntezeit. Damit das möglich ist, sind große und damit teure Maschinen nötig – doch die gehören dann der Bank.

Wenn wir als Naturschützer auf die Bauern schimpfen, haben wir recht – sie pflügen die Felder inklusive Randstreifen. Sie spritzen Glyphosat, sie pferchen die Tiere auf engstem Raum zusammen – doch warum? Weil sie mit dem Rücken an der Wand stehen!

Naturschutz ist immer auch ein Luxusproblem. Schauen Sie die Situation in Entwicklungsländern an – gibt es da Naturschutz? Nein – jeder kämpft um sein Existenzminimum. Wie sieht es in der wohlhabenden Schweiz aus? Ja, da wird Naturschutz groß geschrieben und ist ein Vorbild auch für uns in Deutschland.

Was lernen wir daraus? Unsere Bauern brauchen ein ausreichendes Einkommen – dann wird ihre Wirtschaftsweise auch wieder naturfreundlicher.

Aber es ist klar, die Politik macht die Vorgaben – sofern sie nicht von den Lobbyverbänden gekauft wird. Daher muss die Bundesregierung bzw. die EU auf eine naturfreundliche Landwirtschaft pochen und entsprechende Gesetze erlassen.

Wenn die Bauern nun in Berlin gegen die neue Düngeverordnung protestieren, dann stehen Sie am falschen Tor. Sie müssen vor Edeka, Metro, ADI, Lidl, Rewe etc. stehen und für faire Preise kämpfen.

Aber sie müssen auch vor unserer Haustür stehen. Wir als Verbraucher müssen erkennen, dass man Alufelgen nicht essen kann. Gute Essen hat einen viel höheren Stellenwert als ein Auto. Stellen wir unsere Gewohnheiten um und geben unser Geld für gute Lebensmittel aus – das dient unserer Gesundheit und der Natur. Laßt uns die Differenz beim Auto und Benzin einsparen.